Wer ist der bunte Mann im Bilde (Rattenfängerlied aus Des Knaben Wunderhorn) Alternativtext: In Hameln herrschte Rattenplage. Im Dunkeln und am hellen Tage, in Küche, Keller, Vorratsraum wimmelten sie – ein böser Traum. Da kam ein Wandrer aus der Fremde mit spitzem Hut und buntem Hemde. „Lasst mich nur machen“, prahlte der: „Bald seht ihr keine Ratte mehr!“ Die Bürger und der Rat berieten und wollten sich schier überbieten. „Nimm Gold, soviel du tragen kannst, wenn du die Brut verjagen kannst!“ Drauf in der ersten Morgenröte zog er durch Hameln mit der Flöte, und hinter ihm das Rattenheer: bald waren Markt und Gassen leer. Zum Fluss ließ er die Nager laufen und in der Weserflut ersaufen. Die Bürger staunten und der Rat: „Wie kinderleicht war diese Tat! Hab Dank und geh! Du magst noch essen, doch Geld und Gold musst du vergessen. Ein Flötenlied, was ist das schon? Dafür verdienst du keinen Lohn!“ Er schwieg und ging. Doch kam er wieder und blies noch einmal seine Lieder. Er blies sie frech und ungestüm – und Hamelns Kinder folgten ihm. Sie lachten, tanzten und verschwanden. Als ihre Eltern das verstanden, erhob sich Jammer und Gebet; aber die Reue kam zu spät. Was lernen wir aus der Geschichte? Dass niemand sich zu nichts verpflichte, was er nicht gerne halten mag: sonst kommt nur Leid aus dem Vertrag.
Author: Rabanus Flavus (Peter Gerloff)